Hallo zusammen!
Letztes Wochenende bin ich mit einer Gruppe internationaler Studenten zunächst nach Madurai und von dort aus nach Rameswaram gefahren. Neben Bussen sind Züge und insbesondere Nachtzüge die Art zu reisen in Indien. Ein Konzept, das es in Deutschland zwar auch gibt, ich bisher jedoch nie genutzt habe. Hier in Indien ist das aufgrund der Länge der Strecken allerdings sehr sinnvoll und unglaublich praktisch, wenn man sich erstmal daran gewöhnt hat. Am Freitag gegen 18 Uhr haben wir uns mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufgemacht zum Hauptbahnhof Chennais. Es gibt zwar mittlerweile zwei hochmoderne Metrolinien, die mit Leichtigkeit bei europäischem Niveau mithalten können, allerdings decken diese noch längst nicht das riesige Stadtgebiet ab. Wir sind deshalb zunächst mit dem Lokalzug, vergleichbar mit dem S-Bahn Konzept, gefahren, der wiederum ziemlich alt und abenteuerlich ist – Türen gibt es keine, es ist wackelig und voll und man beeilt sich besser, um nicht während der Fahrt auf- oder abspringen zu müssen.
Bahnhöfe in Indien sind ein Erlebnis für sich. Hier tummeln sich Menschen aus dem gesamten Land, die Atmosphäre ist voller Leben und man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Jeder Zug hat eine Unmenge an verschiedenen Klassen (soweit ich mich erinnere, gibt es 8), die sich in ihrem Komfort und Versorgungsangebot unterscheiden. Wir waren in Klasse 3A untergebracht, irgendwo im oberen Mittelfeld, das wichtigste Feature hier: die Klimaanlage. Die Wagen sind als Schlafwagen konzipiert, statt eines Sitzes hat man also gleich ein ganzes Bett, wie auf den Bildern zu erkennen. Pünktlich um 22:30 Uhr ging die rund 9 stündige Fahrt los und die meisten der Passagiere legten sich direkt schlafen. Obwohl ich einen eher empfindlichen Schlaf habe, konnte ich am Ende besser schlafen als erwartet. Angenehmerweise verliert man durch diese Art des Reisens keine Zeit und hat zwei volle Wochendendtage.
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In Madurai angekommen haben wir zunächst ein Restaurant zum Frühstücken aufgesucht. Wir gehen hier oftmals in kleine lokale Restaurants, an die hygienischen Standards und das Essen muss man sich definitiv zunächst gewöhnen, ich hatte allerdings bisher – ich will hier nichts beschreien – keinerlei Magenprobleme. Wenn man sich langsam steigert, kann sich also auch ein europäischer Magen an das Essen hier gewöhnen. Gegessen wir traditionellerweise mit der rechten Hand und – das ist vor allem im Süden Gebrauch – von einem Bananenblatt. Die Hände wäscht man sich vorher an dafür bereitgestellten Waschstellen, eine Seife bringt man am besten selbst mit. Es gab Masala Dosa, eine Art Brot mit einer Füllung aus Kartoffeln und Gewürzen dazu Sauce zum Dippen und natürlich Kaffee. In Indien ist, zumindest meinem Empfinden nach, wirklich alles scharf. Als jemand, dem schon die Tränen kamen, wenn ich mein Essen mit etwas zu viel Pfeffer gewürzt habe, hatte ich hier am Anfang echt zu kämpfen. Das wird zwar mit der Zeit besser und ich denke, ich bin mittlerweile wesentlich unempfindlicher und doch werde ich immer wieder mal überrascht und dann mit hochrotem Kopf, tränenden Augen und brennendem Mund Anlass für Gelächter in der Runde.
Madurai ist eine kleinere indische Stadt mit rund 1 Million Einwohnern und vor allem bekannt für seine Tempel. Wir haben den Minakshi-Tempel besucht, dessen Ursprünge auf das 12-13. Jahrhundert zurückgehen. Der Eintritt in solch kulturelle Einrichtungen ist in Indien meist kompliziert. Man muss einen Sicherheitscheck durchlaufen und sämtliche Taschen sowie Kameras, Handys usw. abgeben. Filmen und Fotografieren ist leider nicht erlaubt, das ist in Anbetracht der Tatsache, dass Menschen diesen Ort auch für religiöse Rituale aufsuchen, durchaus verständlich. Innerhalb des Tempels kann man die verschiedenen Bauwerke des Gesamtkomplexes bewundern und im Museum einen Eindruck von der hinduistischen Religion erhalten. Diese ist ziemlich komplex. Es gibt eine Vielzahl von Göttern, Praktiken und Erzählungen, die sich in verschiedenen Strömungen über das ganze Land stark unterscheiden können. Mit in unserer Gruppe war auch ein indischer Student, der allerdings aus dem Norden kam und uns dennoch einiges Generelles über den Glauben und verschiedene Gottheiten erzählen konnte.
Nach dem Tempelbesuch haben wir eine Kirche besucht, die an diesem Tag auch von zahlreichen Schulklassen aufgesucht wurde. Alle Kinder tragen eine einheitliche Schuluniform und viele waren begeistert uns zu sehen, wollten Fotos machen und unsere Hände schütteln. Generell ist das Interesse an uns als eine Gruppe von offensichtlich weißen Ausländern oftmals hoch. Während das zum Beispiel auf meinem Campus absolut keine Rolle spielt, so gibt es gerade in kleineren oder abgelegeneren Orten (wobei Madurai eigentlich nicht dazu gehört) noch einige Menschen, die zum Teil das Erste mal in ihrem Leben einen hellhäutigen Menschen sehen. Viele wollen ein Selfie machen und fragen, woher man kommt. Gesehen wird man als hellhäutige Person oft als reich und privilegiert, und man erfährt zum Teil eine ziemlich hohe Anerkennung, die sich für mich eher befremdlich anfühlt. Trotzdem hat es Vorteile so angesprochen zu werden, da man mit unheimlich vielen Menschen ins Gespräch kommt und zudem ist sicherlich angenehmer als an einen Ort zu kommen und wegen seiner Hautfarbe eher gemieden zu werden wie es auf unserem Planeten leider doch immer noch vorkommt. Am schönsten wäre es jedoch, wenn dieses Thema überhaupt keine Rolle spielen würde. Wie dem auch sei, ich habe mittlerweile aufgehört zu zählen, auf wie vielen fremden Handys Selfies von meinem grinsenden Gesicht zu finden sind.
Im Lokalzug Overnight-Zug Mein Bett Der Minakshi-Tempel Die Reisegruppe Immer eine willkommene Erfrischung Schulklasse Tourist Kirche Die Schattenseiten Am Strand Keine Sorge Mom… … hab‘ einen Helm getragen! Selfie immer mit Augen zu Der Sonnenaufgang Scampi und Nudeln auf Bananenblatt Der Nachtbus
Gegen Nachmittag haben wir uns ein wenig durch die Stadt treiben lassen. Es ist unheimlich interessant zu sehen, wie Menschen hier leben. Überall herrscht reges Treiben, jeder arbeitet an irgendwas, jeder scheint eine Rolle in diesem unüberblickbaren Chaos zu spielen. Eine weniger schöne Seite Indiens ist dabei leider ein ständiger Begleiter: Müll. Müll gibt es hier wirklich überall und in Massen. Es gibt in vielen Gebieten noch keine Infrastruktur, die mit diesem unfassbaren Müllaufkommen fertig würde und so finden sich auch unschönere Bilder in der Galerie.
Später ging es mit dem Bus in Richtung Rameswaram. Die Busfahrten in solchen staatlichen Bussen machen unglaublich Spaß – zumindest, wenn man einen Sitzplatz hat. Die Autobahn war hochmodern und die Landschaft um uns herum atemberaubend schön und so kann man bei indischer Musik, die hier oft laut in den Bussen gespielt wird, die Aussicht genießen. Rameswaram ist nur einen Katzensprung von Sri Lanka entfernt und mindestens genauso verrückt, wie alle anderen Orte, die ich hier bisher gesehen habe. Überall auf den Straßen laufen Kühe, Ziegen und Hunde herum und der Verkehr ist ein einziges Chaos, das trotzdem irgendwie funktioniert und so langsam beginne ich auch zu verstehen, wie. Anders als in Deutschland, wo der Verkehr viel auf Vertrauen basiert, also zum Beispiel, wenn ein Auto ein anderes links überholt verlässt man sich darauf, dass das andere Auto nicht plötzlich nach links ausschert und regelmäßig in die Spiegel schaut, muss man in Indien sehen, wo man bleibt. Hier wird die Hupe als Signal genutzt. Hupen heißt so viel wie „Achtung, hier bin ich!“ und so hupt man bei jedem Überholgang einfach mehrmals oder durchgängig. Das ist sogar durchaus erwünscht – viele der LKW haben den Schriftzug „Sound horn“ auf der Rückseite geschrieben, damit vor allem die zahlreichen Motorräder und Roller hupen und nicht übersehen werden. Durch diese Art der Kommunikation im Verkehr ist allerdings an keiner indischen Straße an Ruhe zu denken.
In Rameswaram waren wir in einem kleinen Hotel untergebracht. Wir haben uns noch am gleichen Tag Roller und Motorräder ausgeliehen, das ging, wie in den meisten Fällen, ohne Ausweis oder Führerschein – in Indien ist eben alles möglich. Am nächsten Morgen sind wir früh zum Sonnenaufgang zu einem Aussichtspunkt gefahren und haben die Aussicht genossen. Später haben wir Zeit am Strand verbracht und konnten eine Gruppe von lokalen Fischerinnen und Fischern dabei beobachten, wie sie ihrer traditionellen Arbeitsweise nachgingen. Dabei haben sie ein langes Netz halbkreisförmig im Wasser liegen und ziehen es dann an beiden Enden langsam ans Ufer. An beiden Enden ziehen ungefähr 10 Menschen, ein unheimlicher Kraftakt, der mehrere Stunden dauert. Irgendwann sind die Fische nur noch in einem kleinen Bereich vorne am Ufer eingepfercht und werden mit kleineren Netzen an Land gebracht. Die gesamte Dorfgemeinschaft hat hier mit angepackt – die Frauen haben die Fische am Strand sortiert und die Männer Netz über Netz voller Fische an Land geholt. Etwas weiter im Wasser konnten wir Delphine beobachten, die vermutlich auf entkommene Fische lauerten. Zwei Schildkröten waren als Beifang mit in dem großen Netz und wurden wieder freigelassen. Es war interessant zu sehen, wie traditioneller Fischfang funktioniert und wie nachhaltig er im Gegensatz zum industriellen Hochseefischfang ist. Gefischt wurde nur an einem kleinen Strandabschnitt, die Menge an Fisch dürfte für den Eigenbedarf und/ oder den lokalen Verkauf in Restaurants reichen.
Den Rest des Tages haben wir am Strand verbracht. Das Wasser und die Umgebung sind wunderschön, doch auch hier gab es überall viel Müll. Ein insgesamt starker Kontrast zu der Arbeitweise der Fischer, die so im Einklang mit der Natur zu sein schien. Abends sind wir zurück im Sleeper-Bus nach Chennai gefahren. Es war ein sehr schöner Ausflug und doch waren wir uns alle einig, dass wir uns schon wieder auf unser kleines Hostelzimmer auf unserer Campusoase freuen.
Liebe Grüße
Freddo
Lieber Freddi,wir danken dir sehr für deinen ausführlichen und
interessanten Bericht mit Bildern und Clips!! Was für eine andere Welt.Wie schön,das du das alles erleben kannst.So haben wir
einen Einblick,wie es dir dort im fernen Indien geht.
Paß weiter gut auf dich auf und genieße alles.
Liebe Grüße von Pellworm, Oma u.Opa
Hey Freddi
Man hat fast das Gefühl man ist dabei…
So toll was du alles erlebst.
Mit den Motorrädern finde ich allerdings nicht so witzig……das wusste ich gar nicht.
Liebe Grüße
Mami
Tolle Reise ? Super, dass du und daran teilhaben lässt. Da macht das Lesen richtig Spaß. Auch die Fotos / Videos sind richtig gut!!
LG
Papa